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  11.02.2004

Lifestyle und Anti-Aging in Heidelberg: o alte Burschenherrlichkeit …

Vom 3.– 6. Dezember 2003 traf man sich in Heidelberg zum interdisziplinären Kongress wider die negativen Aspekte des Altwerdens.

K. F. Diehl

Heidelberg, die alte kurfürstliche Residenzstadt am Neckar und Zentrum der deutschen Romantik, zeigte sich von ihrer schönsten spätherbstlichen Seite. Inmitten einer heute wie damals von studentischem Leben geprägten Stadt wurden viele Aspekte der modernen Anti-Aging-Medizin für ca. 500 Kongressteilnehmer in Workshops, Videodemonstrationen und Vorträgen behandelt.
 

Dieser Kongressrückblick soll vor allem die andrologisch interessanten Kongressthemen streifen. Das Gesamtprogramm, welches von dermatologischer Lasertherapie über Mental-Jogging und orthomolekulare Medizin bis zum TVT-Workshop reichte, würde den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen.

Endogener Schutz durch Caretaker-Gene

Die zunehmende Unfähigkeit, auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren, stellt die Grundlage des Alterungsprozesses dar. Es gibt kein Alterungsgen, jedoch Anti-Aging-Gene – so genannte Caretaker-Gene. Diese wirken der durch Sauerstoffradikale vermittelten zunehmenden DNA-Instabilität entgegen. Die freien Radikale stellen ihrerseits ein Nebenprodukt der oxidativen Phosphorylierung – also der mitochondrialen Funktion – dar. Ziel der Anti-Aging-Medizin ist die Stabilisierung des Genoms im zunehmenden Lebensalter. Ein möglicher Ansatz für die Zukunft ist hierbei ein verbesserter endogener Schutz durch therapeutisch induzierte Überexpression von Caretaker-Genen.

DHEA

Mit fortschreitendem Lebensalter kommt es zu einer stetigen Abnahme von DHEA im Serum („Adrenopause“). Mit ca. 50 Jahren ist der jugendliche Spitzenwert bereits etwa halbiert und sinkt dann weiter stetig ab. Das Interessante ist weniger die schwache androgene Wirkung, sondern vielmehr die athero- und kardioprotektive Wirkung. DHEA dürfte die NO-Synthese und die arterielle Dilatationsfähigkeit bei erhöhter Leistungserfordernis sowie die Glukosetoleranz bei gleichem Insulinspiegel verbessern.

Dem durch die sinkende DHEA-Produktion bei gleich bleibender Kortisolproduktion hervorgerufenen relativen Hyperkortizismus und der daraus resultierenden geringer werdenden Knochendichte könnte DHEA ebenfalls entgegenwirken. Allerdings ist die Datenlage noch immer nicht ausreichend, um standardisierte Behandlungsschemata anzubieten (25mg/dl).

Prävention und Health-Coaching

Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Dennoch ist die Prävention akademisch heimatlos, denn selbst Autos werden besser behandelt. Die größte Crux der Vorbeugemedizin ist nämlich die schlechte Compliance. In Deutschland sind lediglich 4% der Ausgaben für das Gesundheitswesen unter Vorsorgemedizin zu verbuchen. Und das, wo bereits ab dem Kindesalter ein interdisziplinäres Health-Coaching beginnen sollte. Die Verbindung von aktiver Prävention und Anti-Aging-Medizin wären der ideale Ansatz.

Basis allen Erfolgs ist die Lifestyle-Medizin (Ernährungs- und Genussmittelberatung, Sports-Coaching, Stress-Coping, Brain-Jogging ). Aufbauend folgen Risikoevaluation und -beratung, Nahrungsergänzungen, und schließlich hormontherapeutische Maßnahmen. Ziel muss es sein, bei steigender Lebenserwartung die Phase des menschlichen Krankseins am Ende des Lebens zu minimieren (Morbiditätskompression).

Erektile Dysfunktion – quo vadis?

Ein Übersichtsreferat von H. Porst aus Hamburg leitete die Sitzung mit diesem griffigen Titel ein. Einige bemerkenswerte Punkte seien herausgegriffen:

• Alphablocker und PDE-5-Hemmer sind in Kombination nicht ganz unproblematisch: Es sollte mindestens ein Sicherheitsabstand von vier Stunden bei der Einnahme eingehalten werden.

• Der Patient soll selbst entscheiden, welcher PDE-5-Hemmer ihm am besten erscheint.

• Eine Daily-Dose-Therapie kann bei mäßigem Therapieerfolg eine Verbesserung bringen, ist allerdings kostenintensiv.

• Zukunft: Guanylatzyklaseaktivatoren (fördern cGMP-Synthese und bieten sich für Double-Drug-Therapie an). Weiters Rho-Kinase-Hemmer auch für Non-Responder.

Testosteronsubstitution

Zur Testosteronsubstitution des Mannes ist zu sagen, dass bei eugonadalen Männern keine Veränderung der sexuellen Funktion durch eine Testosteronsubstitution zu erwarten ist.

Die Testosteronsubstitution des gesunden alten Mannes ist derzeit noch nicht durch ausreichende Daten abgesichert. Vor allem sind Normwerte noch nicht hinreichend definiert (ca. 600 ng /dl beim jungen Mann?). Deshalb muss sich der behandelnde Androloge in erster Linie am klinischen Bild orientieren. Weitere Studien mit ausreichenden Patientenzahlen und langer Beobachtungszeit sind daher noch erforderlich, bevor gültige Behandlungsschemata entwickelt werden können.

Penis aus der Retorte

Ein spannendes Thema war abschließend noch die Zell- und Gentherapie der erektilen Dysfunktion (Tissue-Engineering).

Ausgehend von Experimenten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Zellkulturen aus Chondrozyten und implantierten Rippenknorpeln als Penisprothese (diese funktionierten übrigens gar nicht so schlecht, abgesehen davon, dass sie à la longue resorbiert wurden) wird heute auf diesem Sektor intensiv weitergeforscht. Einerseits arbeitet man mit Implantation von Schwann’schen Zellen zur Reinnervation. Andererseits wird in Harvard im Tierversuch bereits intensiv an gentechnisch reproduziertem Schwellkörpergewebe gearbeitet.

Die Zukunft hat also bereits begonnen und in Heidelberg wird 2004 wieder über den neuesten Stand berichtet werden.

Autor:
Dr. Karl F. Diehl
Kassier des bvU

Quellangaben:
ur010438