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  11.03.2004

Phytotherapie beim klimakterischen Syndrom

Bedingt durch die Zunahme der Lebenserwartung wird die Meno- und Postmenopause für die Frau von heute ein immer wichtigerer Lebensabschnitt. Obwohl viele Frauen dazu tendieren, den Wechsel als eine natürliche Übergangsphase zu betrachten, leiden viele Patientinnen unter einer Imbalance psychischer und vegetativer Funktionen. Als Mittel der ersten Wahl galt bisher die Hormonersatztherapie (HRT) mit synthetischen Hormonen, die aber bei vielen Patientinnen eine eingeschränkte Langzeitakzeptanz aufweisen. Phytohormone, die in pflanzlichen Arzneimitteln wie der Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) und in Nahrungsergänzungsmitteln wie Soja (Glycine max) und Rotklee (Trifolium pratense) enthalten sind, werden zunehmend als natürliche, sanfte Alternativen bei klimakterischen Beschwerden eingesetzt.

Das klimakterische Syndrom der Frau ist charakterisiert durch Hitzewallungen, Schweißausbrüche und einen labilen Hypertonus. Zudem treten bei vielen Frauen verstärkte Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Angst, Depression und Leistungsabfall auf. Dazu kommen noch somatische Beschwerden wie Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die vor allem in der Postmenopause und im Senium zur massiven Einschränkung der Lebensqualität führen. Die Hauptursache all dieser Veränderungen ist eine zunehmende Inaktivität der Eierstöcke, die einen Abfall des Östrogenspiegels bewirkt (Tab. 1).

Die fehlende negative Rückkoppelung der Sexualsteroide auf Hypothalamus und Hypophyse führt zu einer ungebremsten Ausschüttung von gonadotropen Hormonen wie FSH und LH. Durch den Steroidmangel kommt es zu einer Änderung der Konzentration verschiedenster Neurotransmitter, die vegetative und psychische Regelmechanismen beeinflussen. Psychovegetative und somatische Symptome von menopausalen Patientinnen können durch die Substitution von Östrogenen günstig beeinflusst werden. Die Hormonersatztherapie wird aber zunehmend von Ärzten einer sehr differenzierten Nutzen- und Risikoabwägung unterzogen. Berichte über Nebenwirkungen, wie eine Zunahme der Mammakarzinomfrequenz nach langjähriger Einnahme oder ein eventuell erhöhtes Risiko für zerebrokardiovaskuläre Erkrankungen führen auch bei vielen Anwenderinnen zu einer schlechten Langzeitcompliance. Substanzen mit hormonähnlicher Wirkung aus der Traubensilberkerze und Rotklee werden (Tab. 2) von Gynäkologen als natürliche Alternativpräparate zur Therapie von klimakterischen Beschwerden empfohlen. Standardisierte pflanzliche Extrakte aus der Traubensilberkerze, Soja und aus Rotklee sind im Handel erhältlich.

Bioaktive Wirksubstanzen

Die bioaktiven Substanzen der Schmetterlingsblütler (Leguminosen) sind Isoflavone, die eine auffallende strukturelle Ähnlichkeit mit Östradiol und Diäthylstilböstrol aufweisen. Standardisierte Rotkleeextrakte enthalten im Gegensatz zu Soja neben den Isoflavonen Genistein und Daidzein auch methylierte Vorstufen in Form von Biochanin A und Formononetin, die im Körper rasch metabolisiert werden und zu einer höheren Konzentration an bioaktiven Wirkstoffen im Körper führen.

Durch spezielle Extraktionsmethoden weisen bestimmte Nahrungsergänzungsmittel aus Rotklee heute gleichbleibende Qualität und einen besonders hohen Gehalt an Isoflavonen auf, der bei Konsum von natürlichen Pflanzen nicht erreicht werden kann. Isoflavone binden mit unterschiedlicher Affinität an Alpha- oder Beta-Östrogenrezeptoren (selektive Östrogenrezeptormodulatoren – „SERM“). Für Rotklee konnte eine sehr hohe Bindungsaffinität für den Östrogenrezeptor ß festgestellt werden.

Die Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa), ein Hahnenfußgewächs, wurde schon von den Ureinwohnern Nordamerikas bei gynäkologischen Beschwerden und bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises angewandt. Ihre Wirkstoffe sind noch nicht genau bekannt, wobei vor allem Triterpenglykoside wertbestimmend sein sollen. Auch der Wirkmechanismus von Cimicifuga, der ebenfalls über eine selektive Östrogenrezeptormodulation erfolgen soll, konnte bis dato noch nicht geklärt werden.

Reduktion klimakterischer Beschwerden

Hitzewallungen gelten für die Frau im Wechsel oft als das meist belastende Symptom. Bei Frauen aus asiatischen Ländern treten Hitzewallungen und andere klimakterische Beschwerden viel seltener auf. Abgesehen von soziokulturellen Unterschieden wird dafür die hohe Aufnahme von Isoflavonen mit der Nahrung verantwortlich gemacht. Die therapeutische Wirkung von Isoflavonen aus Rotklee bei Hitzewallungen wurde in einer jüngst publizierten, randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie festgestellt, dennoch sind hier weitere Studien zweifellos wünschenswert.

Die im Wechsel auftretende Gewichtszunahme ist für viele Frauen ebenfalls ein großes Problem. Die Ursache ist vorwiegend ein Mangel an Testosteron. Nach neuesten Erkenntnissen wird die Gruppe der Isoflavone auch als selektive Enzymmodulatoren (SEM) bezeichnet, da sie hemmend auf Enzyme wirken, die für die Metabolisierung von Sexualhormonen wichtig sind. Die Hemmung von Aromatase und 5-a-Reduktase führt zu einem Anstieg von Testosteron. Dadurch wird der Fettabbau stimuliert. Eine regulierende Wirkung scheinen Isoflavone auch auf dysfunktionelle Blutungen in der Prämenopause auszuüben.

Auch die Traubensilberkerze wird schon lange verwendet. Unabhängig von den östrogenen Effekten verbessert Cimicifuga auch die klimakterisch bedingten psychischen Beschwerden.

Osteoporoseprävention

Viele Frauen wollen heute auch noch im Senium sportlich aktiv sein. Bedingt durch den Östrogenmangel kommt es aber vor allem in der Postmenopause zu einer beschleunigten Demineralisierung des Skelettsystems. Die Folge sind Schmerzen und eine Zunahme pathologischer Frakturen. Zur Prävention eines menopausalen Knochenmasseverlustes wird eine Östrogentherapie nicht mehr uneingeschränkt empfohlen.

Isoflavone wirken aufgrund ihrer SERM-Eigenschaften osteoprotektiv. Sie hemmen die Aktivität der Osteoklasten und stimulieren gleichzeitig die knochenbildenden Osteoblasten. In einer placebokontrollierten, randomisierten Doppelblindstudie wurde nach Einnahme von Isoflavonen aus Rotklee (28,5mg – 57mg – 85,5mg/Tag) über 6 Monate eine Verbesserung der Knochendichte in allen 3 Gruppen festgestellt.

Eine rezente, placebokontrollierte, dreiarmige Doppelblindstudie untersuchte die Wirkungen einer täglichen Aufnahme von 40mg Cimicifuga mit einer Östrogentherapie und einem Placebo. Nach einer Einnahmedauer von 3 Monaten war die Aktivität der knochenspezifischen alkalischen Phosphatase in der Cimicifuga-Gruppe signifikant erhöht. Die Autoren schließen aufgrund dieser Wirkung auf ähnliche östrogenrezeptormodulierende Effekte von Cimicifuga.

Phytoöstrogene und Brustkrebs

Östrogene können das Wachstum von Brustkrebszellen stimulieren und spielen deshalb bei der Entwicklung von hormonabhängigen Mammakarzinomen eine entscheidende Rolle. Nach bisherigen Untersuchungen scheinen hingegen weder Isoflavone noch Cimicifuga racemosa zu einer Wachstumsstimulation in Brustkrebsgewebe zu führen.

In epidemiologischen Studien wird der Einfluss einer konstanten Isoflavonaufnahme mit der Nahrung auf die Prävention von hormonabhängigen Krebserkrankungen evident. In asiatischen Ländern mit einer hohen Isoflavonkonzentration in der Nahrung ist die Inzidenz von Brust- und Prostatakrebs wesentlich geringer als in westlichen Industriestaaten. Isoflavone erniedrigen nämlich die Konzentration biologisch aktiver Geschlechtshormone, indem sie die Konzentration der sexualhormonbindenden Transportproteine erhöhen. Genistein hat zusätzlich eine inhibierende Wirkung auf proliferationsfördernde Enzyme.

Kardiovaskuläre Wirkung

In der Postmenopause kommt es durch den Östrogenmangel zu einem gehäuften Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen wie Bluthochdruck, Atherosklerose und Herzinfarkt. Isoflavone scheinen eine ähnliche Wirksamkeit wie Östrogene auf den Fettstoffwechsel und die Elastizität der Gefäße zu haben. In Studien wurden positive Auswirkungen von Isoflavonen auf Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt.

So erfolgte durch Isoflavone sowohl eine Reduktion des Gesamtcholesterins als auch eine Senkung der LDL-Fraktion. Weiters wirkten Isoflavone auch hemmend auf die Oxidation von LDL-Cholesterin. Sie verbesserten die arterielle Compliance und verminderten die Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten. Kardiovaskuläre Wirkungen von Cimicifuga sind nicht beschrieben worden.

Anti-Aging-Effekte

Die Extrakte beider Substanzen haben antioxidative Aktivität und Radikalfängereigenschaften, die wesentlich zum Zellschutz beitragen können. Diese Schutzmechanismen können sich verzögernd auf Alterungsprozesse, besonders der Haut, positiv auswirken. Rotklee weist einen sehr hohen Gehalt an Polyphenolen auf. Zusätzlich scheinen aber noch nicht näher definierte Inhaltsstoffe im Rotkleeextrakt eine potenzierende Wirkung als Radikalfänger zu haben.

Nach topischer Applikation von Isoflavonen aus Rotklee wurde im Tierversuch eine Schutzwirkung gegen UV-Strahlung nachgewiesen. Es konnten sowohl die Entzündungsreaktion als auch die durch UV-Strahlen induzierte Immunsuppression durch die Isoflavonapplikation vermindert werden.
Fazit

Aus einer Vielzahl von alternativen und komplementären Behandlungskonzepten werden vor allem pflanzliche Arzneimittel wie die Traubensilberkerze und Nahrungsergänzungsmittel wie Soja und Rotklee zur Therapie menopausaler Beschwerden von Frauenärzten empfohlen. Experimentelle Daten und Beobachtungsstudien weisen auf ein vielfältiges Wirkungspotenzial dieser Phytoöstrogene hin. Derzeit existieren leider nur für wenige Arzneimittel klinische Untersuchungen mit einer genügend großen Fallzahl und exaktem Studiendesign, um diese Wirkungen auch statistisch genügend abzusichern.

Bei bestimmten Beschwerdebildern des klimakterischen Syndroms sind Phytoöstrogene als interessante, nebenwirkungsarme Alternative oder Ergänzung zur konventionellen HRT einsetzbar, wobei aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse vor allem anhand von Beobachtungsstudien das Wirkungsprofil der Isoflavone noch etwas umfassender zu sein scheint.

Autor:
Univ.- Ass. Dr. Martin Imhof
Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klin. Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie u. Sterilitätsbehandlung
Medizin Universität Wien

DDr. Helga Bergmeister
Institut für Biomedizinische Forschung
Allgemeines Krankenhaus, Wien

Quellangaben:
Literatur bei den Verfassern.
Vgl. auch: Krenn L. Phytoestrogene – PhytoSERMS. Österr. Apotheker Zeitung, im Druck